Hochschul-Projekt aus Benediktbeuern setzt sich bundesweit durch (2024)

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Von: Christiane Mühlbauer

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Hochschul-Projekt aus Benediktbeuern setzt sich bundesweit durch (1)

Seit 25 Jahren bietet die Katholische Stiftungshochschule (KSH) in Benediktbeuern die umwelt- und erlebnispädagogische Zusatzqualifikation an. Sie war damals die erste in Bayern. Rasch entwickelte sich das Angebot zum Alleinstellungsmerkmal. Heute ist es aus dem Bereich der Sozialen Arbeit bundesweit nicht mehr wegzudenken.

Benediktbeuern - Eine Hochschule mitten auf dem Land, umgeben von Wiesen, Bergen, Flüssen, Seen und im Winter von Schnee: „Die Hochschule im Kloster musste sich immer über ihren Standort definieren“, sagt Klaus Drescher. Der heute 68-Jährige hat die umwelt- und erlebnispädagogische Zusatzqualifikation (EPZ) aufgebaut, und zwar zusammen mit zwei Kooperationspartnern: der Jugendbildungsstätte Königsdorf und dem Bildungszentrum Burg Schwaneck in Pullach. Die Zusammenarbeit besteht bis heute.

In der Erlebnispädagogik geht es darum, in der Gruppe Erfahrungen zu sammeln, um Persönlichkeit und soziale Kompetenzen zu entwickeln. Häufig geht man dabei in die Natur, aber nicht zwingend. „Es geht darum, Menschen aus ihrem Alltag herauszuholen, und in herausfordernde Situationen zu bringen, die aber nicht risikobehaftet sind“, erklärt Drescher. Ein Mittel dazu sei die Natur. Zu Beginn der Entwicklung Ende der 1980er-Jahre sei es aber erst mal darum gegangen, den Bereich von „Adrenalinjunkies abzugrenzen“, sagt Drescher. „Wir mussten zunächst klarmachen, dass es hier nicht um Risiko- und Spaß-Sportarten geht.“

Sportverbände witterten Konkurrenz

Die Idee, die Erlebnispädagogik zu entwickeln, entstand bei einer Schneeschuh-Tour samt Übernachtung auf der Eiblsfleckhütte unterhalb der Benediktenwand. „Am Anfang haben uns fachsportliche Verbände als große Konkurrenz betrachtet“, erinnert sich Drescher. Die Lösung: „Wir haben sie einfach eingebunden.“ Zugute kamen der Hochschule auch die Bildungseinrichtungen der Salesianer Don Boscos. „Sie boten sich an, mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen die praktische Umsetzung zu erproben.“

In der Erlebnispädagogik arbeitet man häufig mit Gruppen, die sich als Team entwickeln sollen, beispielsweise über Spiele. Das geht auch drinnen und ist altersunabhängig, Drescher hat auch schon mit Firmengruppen gearbeitet. Als ein weiteres Beispiel nennt er Sportvereine und Mannschaften, die als Team zusammenwachsen und sich auch von anderen Seiten kennenlernen sollen. Eine weitere Klientel sind Menschen mit Suchterkrankungen, die wieder Vertrauen zu sich selbst finden sollen. „Dabei wird auch viel auf nonverbaler Ebene gearbeitet“, sagt Drescher. „Und in der Schulsozialarbeit kommt man heute ohne Erlebnispädagogik nicht mehr aus“, sagt er. Teilnehmer lernen dabei, Nein zu sagen und Grenzen zu setzen.

Finanzierung musste geklärt werden

Egal, ob eine Tour im Hochseilgarten oder eine Bachbett-Wanderung in der heimischen Natur – im Bereich der Erlebnispädagogik kann man sehr breit und vielfältig arbeiten. „Wichtig ist dabei immer die anschließende Reflexion“, sagt Drescher. Wenn man zum Beispiel einer Gruppe eine Problemlösungsaufgabe stelle und dies klappe nicht, müsse man analysieren, warum es nicht funktionert habe.

Festakt am 20. Juni

Zur Feier des 25-jährigen Bestehens der Erlebnispädagogischen Zusatzausbildung findet am Donnerstag, 20. Juni, ein Festakt an der Katholischen Stiftungshochschule im Kloster Benediktbeuern statt. Dazu ist auch die Bevölkerung eingeladen. Ab 16 Uhrwird es einen praktischen erlebnispädagogischen Input im Klosterinnenhof für alle Studierenden, Lehrenden, Verwaltungskräfte und Gäste geben.Den Festvortrag hält Prof. Werner Michl, einer der wichtigsten Ideengeber im Bereich der Erlebnispädagogik. Im Anschluss findet ab 19.30 Uhr das Campus-Sommerfest statt.

Als die EPZ 1999 in Benediktbeuern eingeführt wurde, war die KSH bayernweit die erste Hochschule und bundesweit die zweite. Parallel zur universitären Konzeptentwicklung musste auch die Finanzierung geklärt werden. Man einigte sich, dass sich Hochschule und Studierende die Kosten teilen. Der Andrang war von Anfang an riesig, die Hälfte aller Neueinschreibungen wollte unbedingt teilnehmen, obwohl es nur 35 Plätze gab. „Wir haben dann ein Auswahlverfahren durchgeführt, um Motivation und Qualifikation abzufragen“, erinnert sich Drescher.

Mittlerweile ist die Erlebnispädagogik aus dem Bereich der Sozialen Arbeit nicht mehr wegzudenken. Und die ersten Studierenden aus Benediktbeuern sind heute über die ganze Republik verteilt, nicht selten in leitenden Positionen. „Es ist schön zu sehen, dass die Arbeit solche Früchte trägt“, freut sich Drescher.

Das „Baby“ hat sich weiterentwickelt

Der 68-Jährige ist eigentlich schon im Ruhestand, hat aber noch immer einen Lehrauftrag an der Stiftungshochschule. Der Tölzer entwickelte die EPZ mit seiner persönlichen Lebenserfahrung. Als Jugendlicher war Drescher sechsmal Bayerischer Meister im Ausdauer-Vierkampf, damals der Vorläufer des heutigen Triathlons. Deshalb gehört Drescher im Tölzer Wassersportverein (WSV) auch zu den Gründungsmitgliedern der Triathlon-Abteilung. Drescher nahm zehnmal am Ironman in Hawaii teil und schaffte es immer in weniger als zehn Stunden ins Ziel.

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Weil er nicht wie sein Vater Sportlehrer werden wollte und Hobby und Beruf trennen wollte, studierte er an der Kunstakademie in München auf Lehramt und machte noch ein Diplom in Bildhauerei. Als Lehrbeauftragter für Keramik, Zeichnen und Malen kam er 1983 zur KSH. 1992 wurde er Gesamtleiter für diesen Bereich. Zudem baute er an der KSH die Kreativ-Werkstatt auf. Die Leidenschaft für Sport stets im Hinterkopf, entwickelte Drescher dann die EPZ.

Heute sieht Drescher, wie sich sein „Baby“ weiterentwickelt und den Herausforderungen der Zeit stellt: Weil die Menschen weniger Bezug zur Natur haben, müssen verstärkt ökologische Zusammenhänge vermittelt werden. Digitale Medien bieten neue Möglichkeiten, etwa Planungstools. Neu sind auch „Simple Life“-Methoden. Hier wird gelehrt, wie man mit einfachen Mitteln leben kann, ohne Ressourcen zu verbrauchen.

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